Montag, 8. April 2013

Bienvenue à Buoux!


Immer wieder stehe ich in Gedanken unter dem riesigen Überhang von La Baleine. Die nur kurze Satzpause reicht aus um in diese Tagträumereien abzuschweifen. Zurück auf der Matte der Trainingswand  setze ich zu einem erneuten Versuch in einem Systemboulder an. Motiviert von der Vorstellung bald an einem anderen Ort zu sein. Über mehrere Wochen bereitete ich mich intensiv auf den geplanten Urlaub vor. Der Fokus stand auf athletischer Kletterei wie sie in St. Léger üblich ist. Viele positive Eindrücke des letzten Jahres beflügelten mich mein Plan konsequent umzusetzen. Zurück in der Realität wurde mir jedoch zunehmend bewusst dass diese Ziele wortwörtlich im Wasser unterzugehen drohen. Den ganzen Winter über war das Wetter in Südfrankreich ähnlich miserabel wie hierzulande. Klar, dass die versinterten  Wände ordentlich tropfen werden.

Leider hält sich das Wetter nicht an Trainingspläne. Eine knallharte Tatsache!

Die schlechte Wetterlage hielt an und zeigte sich flächendeckend auf der ganzen Landkarte. Meine klaren Zielformulierungen mussten plötzlich komplett neu definiert werden. Die Schwierigkeit lag nun darin überhaupt trockene Felsen zu finden.

Es begann eine Zeitreise… 

...Zurück zu den Anfängen des modernen Sportkletterns.

Bienvenue à Buoux!

Meine Leidenschaft für den Klettersport entfachte sich in der Provence. Die einst massenweise besuchten Gebiete scheinen jedoch an Beachtung verloren zu haben. Auch an mir geht die Mode nicht spurlos vorüber weshalb ich seither nie bewusst zurückgekehrt bin.

Zurück zu den Wurzeln. Zudem versprach der verwitterte Sandstein mehr Hoffnung auf trockene Stellen als poröser Kalk. Deshalb stehen Tom und ich nun gegenüber den mächtigen Felsformationen von Buoux. Wie einst zwei bleiche Engländer Jahre zuvor.
Bericht der Klettertage:

Tag1:
Die Route „scaravangeur“ (7a) bot geniale Lochkletterei und war die ideale Wahl zur Angewöhnung. In der nebenan gelegenen „le hasard fait bien les choses“ (7b) brannten dann die Füsse schon richtig und die unübersichtliche Kletterei warf mich ab. Die Griffe und Bewegungsanforderungen entsprachen dem puren Gegenteil meiner physischen Vorbereitung. Zudem war es für mich erst der erste Tag in diesem Jahr mit Seil was mir nicht wesentlich weiter half. Danach flüchteten wir in den Sektor Bout du Monde. Quasi ans Ende der Welt. Meine Entscheidung fiel auf die Route „chouca“ (8a+). Nach dem Ausbouldern mühte ich mich in den weiteren Versuchen mit einem sehr weiten Zug an Löchern ab. Daneben versuchte sich Tom an „fissure serge“ (8a). Deren Absicherung gehört jedoch eher in die Kategorie gefährlich weshalb er die Route bald wieder ausräumte.


notre petits amis de Buoux!


Tag 2:
Wie aus Kübeln schüttete es heute den ganzen Tag lang. Da half nicht mal die stündige Autofahrt nach Volx um dem Regen zu entfliehen. Die feuchtkalten Bedingungen erinnerten uns an hoffnungslose Trainingstage am Muggenberg. Kaum vorstellbar wie einst ausländische Kletterer anreisten um sich an dem kurzen Überhang abzumühen. Diverse Erkundungsversuche brachten zur Erkenntnis dass es keinen nicht auf übelste Weise abgegriffenen Flecken Fels in dieser Grotte zu haben schien. Es blieb eine Flash-Begehung von „0% de matiere grise“ (7c+) von mir und der Durchstieg von „spinonza“ (7c) von Tom.

Cappuccino-gourmande pour le petit déjeuner!

Regenimpressionen...

Climb now work later or work now climb later?

Tag 3:
Der starke Regen der Nacht hielt noch lange an und wurde gegen Mittag vom auffrischenden Wind verdrängt. Dieser trocknete dann langsam die Wände ab welche ziemlich nass geworden sind. Kräftig schien die Sonne und strapazierte die Haut schon beim Aufwärmen. Tom versuchte sich an der lohnenden und technisch anspruchsvollen Route „hiérogriffe“ (7b+). Leider blieb ihm der Durchstieg bis zum Schluss verwehrt. Im ersten Versuch von Heute prügelte ich dann durch den Klassiker „chouca“ (8a+).  Dafür musste ich meine Arme richtig ausfahren. Danach boulderte ich durch „la rose et le vampir“ (8b) sowie  „tabou“ (8a+). Die anfängliche Euphorie endete rasch. Lieblos gebohrte Löcher und speckige Griffe hielten mich von weiteren Versuchen ab.
An diesem Osterwochenende waren entsprechend mehr Leute anwesend. Dabei traf ich auf Seb H., welcher aus Spanien zurückgekehrt war. Von seinem Wissen profitierte ich bereits letzten Sommer. Scheinbar haben wir nicht die schlechteste Wahl getroffen wenn er hier zu finden ist. Sprich uns wohl an einem der wenigen trockenen Felsen befinden. Natürlich gab mir Seb ohne zu Zögern noch einen Geheimtipp. Die Beschreibung hörte sich interessant an. Nur zehn Minuten entfernt soll sich das Gebiet befinden. Mit viel Plaudern endete also der Tag im Sektor Bout du Monde. Toni aus dem Kochel empfahl mir ausführlich die eine und andere Route in Buoux. Selbst der Riese Tom verschwand im Schatten des ruhigen Hünen. Auf die Frage nach seiner Meinung über den erhaltenen Geheimtipp meinte er nur trocken und unbeeindruckt: „Schau’s dir mal an“. Riesige Überhänge seien halt nicht so sein Ding.

Andy in "chouca"

Auf in die letzte Crux!
Es wartet die Ausstiegsplatte...

Tag 4:
Von Beginn Weg sorgte der starke Mistral für einen wolkenlosen Tag. Gespannt suchten wir dann das empfohlene Gebiet welches nahe eines Dorfes liegt das mit L beginnt. Die riesige Wand kann kaum verfehlt werden. Von der Kletterei waren Tom und ich begeistert. Anspruchsvolle Bewegungen sind an der vielfältig strukturierten Wand nötig um möglichst sparsam vorwärts zu kommen. Die meisten Routen enden an einer durchgehenden Rissspur, führen dann in einer weiteren Länge unter das riesige Dach und können sogar durch dieses verlängert werden. Soweit der Atem reicht. Im zweiten Go kletterte Tom „the trooper“ (7c) und freute sich über die Sinterpassage. Diese verlängerte ich noch weiter über sehr interessante Kletterei. Im zweiten Versuch kämpfte ich mich auf dem letzten Drücker „le zimbrec coude“ (8a+) hoch. Resultat war eine riesige Ansammlung Laktat in den Unterarmen.
In der Zwischenzeit füllte sich das Gebiet mit einer riesigen Truppe an Franzosen. Das Gerome P. die Bohrmaschine in Betrieb nahm, zeigte dass der Vogelschutz hier nicht so hoch geschrieben wird. Nach einer Pause stieg ich in eine weitere Route. Fluchend beendete ich dann den Versuch kurz vor Ende da ich in einem Untergriff-Einfingerloch abzurutschen drohte. Erst später sah ich dass die Route „le mono qui nique“ heisst. Ja wer nicht liest ist selber schuld.

Arena der Gladiatoren!

Tag 5:
Ganz alleine kletterten wir heute in L. Nun versuchte ich mich in der steilen und athletischen Route „le coeur de ritzou“ (8a+/b). Die kräftige Sequenz am Ende warf mich jedoch mehrmals ab. Mittlerweile zeigten sich dann schon viele Gebrauchsspuren an unseren Werkzeugen den Händen. Waren es in Buoux die Fingerkuppen welche gelitten haben, so schmerzten nun die ganzen Partien. Viele kleine Risse mit passiven Klemmpositionen drückten ordentlich auf die Haut. Mit getappten Fingern kletterte Tom dann die erste Länge von „play boy“ (7c). Für heute war das genug und wir freuten uns einmal mehr auf das verdiente Nachtessen in unserem Camp.

Bon Appetit!



Tag 6:
Die ersten Sonnenstrahlen nutzte ich für eine halbstündige Yoga-Session bevor es wieder an den Fels ging. An der Auwärmroute „je t’aime moi non plus“ (7a+) fanden wir beide gefallen. Danach ging es um die Wurst. Zweimal scheiterte ich bei meinen Versuchen an der Route „ le coeur de ritzou“ (8a+/b). Derweilen versuchte sich Tom an „oh putain merde“ (7c). Nun schien die Sonne in die Wand und heizte so richtig ein. Es war jetzt unmöglich bei diesen Bedingungen zu klettern. Deshalb fuhren wir kurz ins nahe gelegene Dorf um in einer Bar ein citron présse zu trinken und auszuspannen. Um sechs Uhr stehen wir dann wieder unter der Wand. Langsam verschwand die Sonne hinter der Hügelkette und die Luft wurde kühl. Bei idealen Bedingungen setzte ich zu einem Versuch an. Trotz einem perfekten Go wollte es immer noch nicht klappen. Der folgende glich war dann eher eine Verzweiflungsaktion. Obwohl nochmals dieselbe Höhe erreicht wurde. Bis zum Ende fehlte einfach der Killerinstinkt.

village typique...

Der Start in die Fels-Saison begann also mit einem Tritt in den Allerwertesten. mir wurde erst am Ende bewusst, dass der direkte Wechsel von Plastik an den Felsen doch seine Zeit brauchen wird. Eine erste Nervenprobe sei überstanden.

Alors a bientot! Wir kommen mit starken Fingern und lockeren Hüften wieder!